Best Practices im Arbeitsrecht: Arztzeugnis und Kündigung - ein sensibles Thema

Aufgrund der häufig gestellten Fragen, mit denen unsere Kundinnen und Kunden und die Unternehmen regelmässig konfrontiert sind, beleuchten wir aus einem sehr praktischen Blickwinkel das Arbeits-, Gesellschafts-, Schuldbetreibungs-, Konkurs- und Vertragsrechts. Der erste Artikel der Serie befasst sich mit der Problematik rund um das Arztzeugnis im Zusammenhang mit einer Kündigung.

Was ist zu tun, wenn mir mein Arbeitnehmender ein Arztzeugnis vorlegt, obwohl er/sie gerade entlassen wurde?

In der Praxis sehen sich Unternehmen bei der Entlassung eines Arbeitnehmenden häufig mit der Forderung konfrontiert, dass dieser kurzfristig ein Arztzeugnis über seine Arbeitsunfähigkeit vorlegt. Es kommt auch vor, dass diese Bescheinigung einen Zeitraum abdeckt, der den Tag der Kündigung einschliesst. Neben der Frage, ob die Kündigung wirksam ist, stellt sich in einem solchen Fall auch die Frage nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Aussetzung der Kündigungsfrist aufgrund der Arbeitsunfähigkeit) und nach dem Lohnanspruch. In bestimmten Situationen kann der Arbeitgeber auch Zweifel an der Begründetheit der Arbeitsunfähigkeit haben. Er hat dann die Möglichkeit, die Richtigkeit der Bescheinigung zu überprüfen. Schliesslich kann es vorkommen, dass ein Arbeitnehmender, der bereits arbeitsunfähig ist (z.B. wegen Depressionen), einen Skiunfall hat, der eine erneute Krankschreibung rechtfertigt.

Korrekt agieren: Die richtigen Fragen stellen!

In all diesen Fällen muss der Arbeitgeber die Situation des Arbeitnehmenden anhand der Vertragsunterlagen, des Gesetzes und eines eventuellen Tarifvertrags/ Rahmenvertrags genau analysieren. Dabei ist es wichtig, die richtigen Fragen zu stellen, wie zum Beispiel:

  • Ist die Kündigung unwirksam oder wird die Kündigungsfrist nur ausgesetzt?
  • Muss ich dem Arbeitnehmendem 100% seines Lohns zahlen oder einen geringeren Prozentsatz?
  • Wie lange hat der Arbeitnehmende Anspruch auf seinen Lohn?
  • Wie lange ist ein Arztzeugnis gültig?
  • Wie wird die Aussetzung der Kündigungsfrist berechnet?
  • Wie lange ist die Kündigungsschutzfrist für den Arbeitnehmenden?
  • Mein Arbeitnehmender gibt mir ein Arztzeugnis, in dem steht, dass er unfallbedingt krankgeschrieben ist, obwohl er bereits krankgeschrieben ist. Was bedeutet das?
  • Ich habe Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunfähigkeit meines Arbeitnehmenden, was kann ich tun?
  • Habe ich das Recht, dem Arbeitnehmenden nach dem genauen Grund für die Arbeitsunfähigkeit zu fragen?
  • usw.

Die genaue und präzise Beantwortung dieser Fragen ermöglicht es dem Arbeitgeber einerseits, die Rechte des Arbeitnehmenden nicht zu verletzen und somit einen späteren Rechtsstreit zu vermeiden. Andererseits kann er genau bestimmen, wie sich die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeitenden auf die Kontinuität des Betriebs auswirkt und welche Schritte die Person möglicherweise unternehmen muss.

Empfehlungen

Wenn Sie sich in einer der oben genannten Situationen befinden, empfehlen wir Ihnen dringend:

  • Prüfen Sie, ob das Kündigungsschreiben des Arbeitnehmenden zugestellt wurde, obwohl er durch ein gültiges Arztzeugnis gedeckt war. In diesem Fall ist die Kündigung unwirksam.
  • Bewahren Sie die Arztzeugnisse gut auf. Sie helfen Ihnen zu entscheiden, ob die Arbeitsunfähigkeit auf ein und dieselbe Ursache (Krankheit) oder auf mehrere Ursachen (z. B. Krankheit und Unfall) zurückzuführen ist. Beachten Sie jedoch, dass zwei aufeinanderfolgende ärztliche Bescheinigungen zwei verschiedene Ursachen der Arbeitsunfähigkeit abdecken können, auch wenn in beiden Bescheinigungen "Krankheit" erwähnt wird (z. B. Grippe, dann Blinddarmentzündung);
  • die Dauer der Schutzfrist festlegen. Diese beträgt gemäss Obligationenrecht im ersten Dienstjahr 30 Tage, vom zweiten bis zum fünften Dienstjahr 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage.
  • das voraussichtliche Enddatum des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage der ärztlichen Zeugnisse, der Schutzfrist und der Dauer der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist zu berechnen. Wenn Ihr Arbeitnehmender Ihnen ein neues Arztzeugnis vorlegt, muss die Situation neu bewertet werden.

Wie können wir Sie unterstützen?

Im Vorfeld eines konkreten Falles helfen wir Ihnen:

  • eine Bestandsaufnahme der geltenden vertraglichen Bestimmungen vorzunehmen und sicherzustellen, dass diese den Bedürfnissen des Unternehmens entsprechen;
  • interne Schulungen zu organisieren, um die Personalverantwortlichen für die verschiedenen Probleme, mit denen sie konfrontiert werden können, zu sensibilisieren und sicherzustellen, dass sie die geltenden vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen kennen.
  • Wenn Sie mit einem konkreten Fall konfrontiert sind, helfen wir Ihnen, indem wir
  • den Fall gemeinsam mit Ihnen zu analysieren und die notwendigen Berechnungen durchzuführen (Schutzfrist und Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses);
  • die Risiken zu identifizieren, denen Sie ausgesetzt sind;
  • die beste Vorgehensweise zu empfehlen, um die Interessen Ihres Unternehmens bestmöglich zu wahren;
  • während des gesamten Prozesses bis zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder bis zum Abschluss einer eventuellen Vereinbarung.