Steuerstrafecht: Kumulierung der Bestrafung von juristischen Personen und ihren Organen

Organe Schweizer Kapitalgesellschaften, sollten gewisse Transaktionen zwischen nahestehenden Personen kritisch überprüfen. Denn in einem neu ergangenen Entscheid bestätigt das Bundesgericht erneut, dass nicht nur die juristische Person bezüglich einer vollendeten Steuerhinterziehung belangt werden kann, sondern auch ihre Organe (z.B. die Mitglieder des Verwaltungsrates).

Das Bundesgericht betont in seinem Entscheid, dass gestützt auf die gesetzliche Bestimmung eine Bestrafung sowohl der juristischen Person wie auch derer Organe oder Vertreter*innen zulässig ist. 

Der Entscheid des Bundesgerichts zeigt auf, dass Organe oder Vertreter*innen von juristischen Personen sich in dieser Funktion einem gewissen persönlichen Risiko aussetzen, denn sie können aufgrund des Schweizer Steuerrechts unter gewissen Umständen persönlich bestraft werden (z.B. mittels Bussen der zuständigen Steuerverwaltung). Es bestehet unter anderem ein Risiko des Steuerbetrugs (z.B. Genehmigung einer falschen Jahresrechnung) und / oder der Steuerhinterziehung, welche in der Regel mit Bussen bestraft werden. Hinzu kommen Verzugszinsen auf die nachträglich zu entrichtenden Steuern. Solche Bussen der Schweizer Steuerverwaltungen sollten nicht unterschätzt werden, denn diese können das Einfache oder auch das Dreifache der hinterzogenen Steuer betragen. 

Aktueller Entscheid des Bundesgerichts im Zusammenhang mit geldwerten Vorteilen

Das Bundesgericht nahm den folgenden Sachverhalt zum Anlass, einen Grundsatzentscheid zur Kumulierung von Sanktionen der Steuerbehörden gegenüber juristischen Personen sowie ihrer Organe zu fällen (BGer Urteil 2C_872/2021 vom 2. August 2022);

Aufgrund eines geldwerten Vorteils wurde die X AG, mit Sitz im Kanton Genf zu einer vollendeten Steuerhinterziehung verurteilt (vgl. BGer Urteil 2C_333/2017 vom 12. April 2018). Der geldwerte Vorteil lag im zu beurteilenden Sachverhalt darin, dass zu hohe Mietkosten für Baufahrzeuge an die Einzelfirma des Mitglieds des Verwaltungsrates der X AG bezahlt wurden. Nach Abschluss des Verfahrens gegen die X AG, wurde ebenfalls ein Verfahren wegen Beihilfe zur vollendeten Steuerhinterziehung gegen den Verwaltungsrat der X AG sowie Inhaber der involvierten Einzelfirma eröffnet.

Strittig war u.a., ob die objektiven sowie auch die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Gehilfenschaft zur vollendeten Steuerhinterziehung des Verwaltungsrates der X AG zu bejahen waren. Das objektive Tatbestandsmerkmal sei gemäss Bundesgericht erfüllt, da der Verwaltungsrat der X AG die entsprechenden Jahresrechnungen der X AG unterzeichnet und somit genehmig hatte, obschon diese nicht handelsrechtskonform erstellt wurde. Dies hat eine Steuerhinterziehung der X AG bewirkt. Des Weiteren sei auch das subjektive Tatbestandsmerkmal gemäss Bundesgericht erfüllt, da die Steuerhinterziehung für den Verwaltungsrat der betroffenen X AG erkennbar sein mussten (insb. da er ebenfalls auch Inhaber der involvierten Einzelfirma war). Eventualvorsatz des Verwaltungsrates sei vorliegend anzunehmen. Das Bundesgericht hat somit im zu beurteilenden Sachverhalt die Gehilfenschaft zur vollendeten Steuerhinterziehung bejahrt. Des Weiteren wurde vom Bundesgericht klar festgestellt, dass gemäss Schweizer Steuerrecht die Kapitalgesellschaften und ihre Organe als zwei unterschiedliche voneinander getrennte Steuersubjekte betrachtet werden. Daraus ergibt sich, dass die Kumulierung von Sanktionen von Kapitalgesellschaften und ihren Organen zulässig ist. 

Zusammenfassung zu geldwerten Vorteilen

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts müssen folgende vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, dass ein geldwerter Vorteil bejaht werden kann (vgl. BGer Urteil 2C_750/2019 vom 7. Juli 2020): 

1)     die leistende Kapitalgesellschaft erhält für ihre Leistung keine oder keine gleichwertige Gegenleistung;

2)     Nahestehende Personen der Kapitalgesellschaft erlangen direkt oder indirekt einen Vorteil;

3)     die Kapitalgesellschaft hätten diesen Vorteil an Dritten unter gleichen Bedingungen nicht zugestanden (sog. «Drittvergleich») und

4)     der Charakter dieser Leistung für die Organe der Kapitalgesellschaft erkennbar war (dieses Kriterium wird vermutet, wenn die geldwerte Leistung dem sog. «Drittvergleich» nicht standhält). 

Sollten die zuständige Steuerbehörde aufgrund ihrer Erkenntnisse aus dem Veranlagungsverfahren der Kapitalgesellschaft und der natürlichen Personen (den Organen) das Vorliegen eines geldwerten Vorteils bejahen, führt dies unter anderem zu Konsequenzen bei der Gewinn- respektive Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer sowie auch der Verrechnungssteuer. 

Was heisst dies für Sie?

Bei einem möglichen Sachverhalt, unabhängig davon ob vollendet oder versucht, von Steuerbetrug sowie auch von Steuerhinterziehung, ist es wichtig dies bei den zuständigen Steuerverwaltungen proaktiv anzumelden. Allenfalls kann die betroffene juristische Person, wie auch deren Organe und / oder Vertreter*innen von der sog. straflosen Selbstanzeige profitieren. Allerdings ist diese nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Hierbei kann eine steuerliche Beratung helfen.

Es empfiehlt sich daher, gewisse Transaktionen zwischen nahestehenden Personen aus steuerrechtlicher Sicht vorgängig zu prüfen, um ein allfälliges Strafverfahren wegen Steuerbetrug und / oder Steuerhinterziehung zu vermeiden.

Beitrag von Dominique Roggo und Caryl Neuenschwander