Die Schweiz tritt den neuen OECD-Richtlinien zur internationalen Unternehmensbesteuerung unter bestimmten Bedingungen bei

Dies könnte dazu führen, dass die Schweiz ihr internationales Steuersystem reformiert und multinationale Unternehmen verpflichtet, überall dort, wo sie tätig sind, einen angemessenen Anteil an Steuern zu zahlen.

Die Globalisierung und die Digitalisierung zwingen die internationale Wirtschaft und viele Geschäftsmodelle zum Wandel. Die grundlegenden Regeln, die seit einem Jahrhundert für die Besteuerung internationaler Unternehmensgewinne gelten, werden in Frage gestellt, so dass grosse multinationale Unternehmen auf ausländischen Märkten riesige Gewinne erzielen können, ohne angemessene Steuereinnahmen oder gar keine zu generieren.

Die Bewältigung der steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der digitalen Transformation der Wirtschaft ergeben, ist ein zentraler Bestandteil des BEPS-Projekts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), das massgeblich zu mehr Konsistenz, Substanz und Transparenz im internationalen Steuersystem beigetragen hat. So will die OECD beispielsweise die internationalen Steuervorschriften reformieren, indem sie multinationale Unternehmen dazu verpflichtet, überall dort, wo sie tätig sind, einen angemessenen Anteil an Steuern zu zahlen, und hat entsprechende Vorschläge ausgearbeitet.

Die beiden Säulen des OECD-Inclusive Frameworks

Am 1. Juli 2021 veröffentlichte die OECD Leitlinien für die künftige Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmen. Ihr Ziel: die Festlegung multinationaler Massnahmen auf der Grundlage eines Konsenses und die Vermeidung eines Gewirres einseitiger nationaler Vorschriften.

Die neuen Vorschriften beruhen auf zwei Säulen.

Die erste Säule zielt darauf ab, eine gerechtere Verteilung der Gewinne und der Besteuerungsrechte multinationaler Grosskonzerne zwischen den Ländern zu erreichen. Diese Säule basiert auf einer Änderung der Gewinnverteilung und der Kriterien für die Steuerpflicht sowie der Besteuerung auch ohne physische Präsenz auf dem Markt (Übertragung der Besteuerungsrechte auf die Marktstaaten).

Konkret: Unternehmen mit über 20 Milliarden Euro Jahresumsatz und über 10 Prozent Gewinnmarge müssen einen Teil ihres Gewinns im Marktgebiet versteuern.

In der Schweiz: Diese Massnahme dürfte nur eine sehr kleine Anzahl von Grossunternehmen mit Tochtergesellschaften in der Schweiz betreffen.

Die zweite Säule zielt darauf ab, den Wettbewerb bei der Gewinnsteuer zu regulieren, indem eine globale Mindeststeuer eingeführt wird, die die Länder zum Schutz ihrer Steuerbemessungsgrundlage anwenden können.

Konkret: Mindeststeuersatz von 15% für international tätige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro.

In der Schweiz: Rund 200 Unternehmen und eine beträchtliche Anzahl von Schweizer Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne, die diese Umsatzgrenze überschreiten, sind davon betroffen. Aus innerstaatlicher Sicht haben zahlreiche Kantone als Folge der Steuerreform und der AHV- Finanzierung (STAF) einen kombinierten effektiven Steuersatz, der unter dem Mindestsatz von 15% liegt. In diesem Zusammenhang müssen die Schweizer Behörden möglicherweise die Steuersätze erneut erhöhen, um sie an die internationalen Empfehlungen anzupassen. 

Welche Position vertritt die Schweiz bei der Umsetzung der neuen OECD-Richtlinien?

Die Schweiz befürwortet die Einführung von multilateralen Lösungen.

Die Schweiz hat sich den Eckwerten trotz grosser Bedenken im Sinn der Weiterführung des Projekts und unter Bedingungen angeschlossen.

Sie hat ausdrücklich die folgenden Forderungen gestellt:

  1. Die Interessen kleiner, innovativer Länder sollen angemessen berücksichtigt werden bei der definitiven Ausgestaltung der Regeln;
  2. Bei der Umsetzung die nationalen Gesetzgebungsverfahren respektiert werden;
  3. Die neuen Regeln sollen von den Mitgliedsländern einheitlich angewendet werden;
  4. Bei der Mindestbesteuerung soll eine ausgewogene Lösung zwischen Steuersatz und Bemessungsgrundlage gefunden werden.

Wie die Schweiz haben mehrere Länder die neuen Regeln unter Vorbehalt genehmigt.

Im Anschluss an die OECD-Publikation vom Juli 2021 wurden für die Schweiz wichtige Punkte vereinbart: Die neuen Besteuerungsrechte für Marktländer werden abgemildert und einseitige Massnahmen zur Besteuerung von digitalen Dienstleistungen müssen aufgegeben werden. Der Mindeststeuersatz wird weltweit 15% betragen, wobei die Einführung gestaffelter Mindeststeuervorschriften geplant ist, um Ländern mit umfangreicheren Gesetzgebungsverfahren, wie der Schweiz, Zeit zur Anpassung zu geben.

Es sei darauf hingewiesen, dass die von der OECD veröffentlichte Vereinbarung nur ein vorläufiges Dokument ist. Ein detaillierter Umsetzungsplan wird bis Ende 2021 fertiggestellt sein.

Der OECD-Zeitplan wurde auch von mehreren Ländern, darunter der Schweiz, kritisiert, da er die nationalen Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt. In diesem Zusammenhang wies Bundesrat Ueli Maurer am OECD-Ministertreffen vom 5. und 6. Oktober 2021 darauf hin, dass die Schweiz die neuen Regeln nicht wie von der OECD geplant im Jahr 2023 einführen kann.

Parallel zu den Arbeiten der OECD prüft das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) in Zusammenarbeit mit den anderen betroffenen Abteilungen die mögliche Umsetzung eines internationalen Standards in das schweizerische Recht und Massnahmen, die die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz sicherstellen und international akzeptiert werden. Die Vorschläge für den Bundesrat werden bis zum ersten Quartal 2022 ausgearbeitet.

Beitrag von Nathalie Pellanda Gaud, Edith Carla Toko und Simana Boianova

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