Weitreichende Auswirkungen der neuen 50:50-Regel über die Kapitalausschüttung börsenkotierter Unternehmen in der Schweiz

Das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) wurde von den Schweizer Stimmberechtigten am 19. Mai 2019 angenommen. Neben anderen Steuermassnahmen sieht es eine Beschränkung der Kapitalausschüttung für Schweizer börsenkotierte Unternehmen vor. Denn seit dem 1. Januar 2020 gelten für kotierte Unternehmen in der Schweiz besondere Regeln bei der Dividendenausschüttung aus Kapitaleinlagereserven (die sogenannte 50:50-Regel).

Am 23. Dezember 2019 veröffentlichte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) in diesem Zusammenhang ihr neues (angepasstes) Kreisschreiben Nr. 29b über das Kapitaleinlageprinzip mit neuen Leitlinien zu diesem Thema.

Situation bis Ende 2019

Bis Ende 2019 unterlagen Gesellschaften und Beteiligungen mit Sitz oder effektiver Geschäftsführung in der Schweiz grundsätzlich der Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen aus Kapitalreserven (mit einigen Ausnahmen bei angewandten Notifizierungsverfahren), wohingegen die Rückzahlung von Kapitalausschüttungsreserven stets von der Schweizer Quellensteuer befreit war. Die ESTV schränkte die Möglichkeiten unverhältnismässiger Kapitalausschüttungsreserven / Gewinnrücklagenquoten in Bezug auf asymmetrische Dividenden zur Steuerumgehung ein und bestätigte diese Haltung vor Kurzem.

Neue 50:50-Regel gilt seit 1. Januar 2020

Seit dem 1. Januar 2020 gilt die neue 50:50-Regel für Unternehmen, deren Anteile an der Schweizer Börse notiert sind, jedoch nicht für Unternehmen, die an ausländischen Börsen kotiert oder in Privatbesitz sind. Gemäss dieser Regel müssen ordentliche Ausschüttungen und Gratisaktien mindestens zur Hälfte aus Kapitalreserven (soweit vorhanden) finanziert werden, dies im Rahmen separater Einzelentscheidungen.

Wird diese Regel nicht eingehalten, werden die überschüssigen eingesetzten Kapitalausschüttungsreserven als Ausschüttungen aus Gewinnreserven klassifiziert und unterliegen somit der schweizerischen Verrechnungssteuer und, je nach Situation der Aktionäre, möglicherweise auch der schweizerischen Einkommenssteuer.

Es gilt jedoch auch zu berücksichtigen, dass es bestimmte Ausnahmen von dieser 50:50-Regel gibt. So sind Dividendenausschüttungen an institutionelle Aktionäre, die mindestens 10% der Anteile halten, von dieser Regel ausgenommen. Eine weitere Ausnahme gilt für Kapitalausschüttungsreserven, die aus grenzüberschreitenden Fusionen / Umstrukturierungen oder Zuzügen aus dem Ausland nach dem 24. Februar 2008 (sogenannte «Ausschüttungsreserven aus Auslandskapital») stammen, sowie für Kapitalausschüttungsreserven, die infolge einer formalen Liquidation / Abwanderung ins Ausland ausbezahlt werden.

Was gilt für Dividendenausschüttungen, die 2019 beschlossen wurden, aber erst im 2020 erfolgen?

Die Frage, der sich in der Schweiz kotierte Unternehmen stellen, die bereits bei ihren letztjährigen Jahresversammlungen beschlossen haben, Dividenden, die (ganz oder teilweise) aus ihren Kapitalausschüttungsreserven stammen, auszuschütten, deren Auszahlung jedoch erst im Steuerjahr 2020 erfolgt, ist zunächst rein praktischer Natur. Denn gemäss der aktuellen Praxis der ESTV kommt die Beschränkung für Kapitalausschüttungsreserven auch in diesem Fall zur Anwendung. Dies mit der Begründung, dass die tatsächliche Ausschüttung im Jahr 2020 erfolgt und die neue 50:50-Regel seit dem 1. Januar 2020 gilt, wenngleich die formale Entscheidung bei der Generalversammlung 2019 getroffen wurde.

Wir empfehlen in der Schweiz kotierten Unternehmen, ihre Beteiligungsstrategien und Ausschüttungspolitik zu überdenken, insbesondere hinsichtlich Auszahlungen, die auf Vorjahresentscheidungen basieren. Bei der Darstellung von Buchhaltung und Jahresabschlüssen bedarf es ebenfalls gewisser Anpassungen. Aufgrund der dementsprechenden Änderungen des Einkommensteuergesetztes liegt die steuerliche Belastung der Aktionäre weiterhin im Ermessen der Aktiengesellschaften, auf deren Entscheidungen sie oftmals keinen Einfluss haben.

Beitrag von Virginie Perlotto und Andriy Chubatyuk