Das Schweizer Volk sagt Ja zur OECD-Vorlage für eine Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen

Das Schweizer Volk hat soeben der Einführung einer Verfassungsgrundlage zugestimmt, die eine Mindestbesteuerung von Unternehmen mit 15% vorsieht. Auf dem befristeten Verordnungsweg wird eine Zusatzsteuer eingeführt, die sich im Wesentlichen auf die GloBE-Regeln (Global Anti-Base Erosion Model Rules – Pillar II «Säule II») stützt. Der Bundesrat muss jedoch innerhalb von sechs Jahren ein Gesetz vorlegen, das diese Verordnung aufhebt.

Erinnerung an die Herausforderungen der "Säule II"

Die GloBE-Regeln gelten für multinationale Konzerne, deren konsolidierte Einnahmen den Schwellenwert von 750 Millionen Euro überschreiten. Dieser Schwellenwert ist identisch mit demjenigen, ab dem multinationale Konzerne verpflichtet sind, eine länderbezogene Erklärung (Country by Country Reporting, CbCR) abzugeben.

Es sei daran erinnert, dass diese neue Steuerregelung weder für schweizerische KMU und Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Umsatz unterhalb des oben genannten Schwellenwerts noch für schweizerische KMU und Unternehmensgruppen gilt, die ausschliesslich auf schweizerischem Staatsgebiet tätig sind. 

Sobald die konsolidierte Umsatzgrenze erreicht ist, werden hingegen alle Schweizer Unternehmen, die sich im Besitz einer ausländischen Unternehmensgruppe befinden, Schweizer Unternehmen mit mindestens einer ausländischen Tochtergesellschaft und Schweizer Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit über eine Niederlassung im Ausland ausüben, einer Mindestbesteuerung von 15% unterliegen, selbst wenn ihr effektiver Steuersatz derzeit unter 15% liegt. In der Schweiz werden also rund 200 Unternehmen und eine beträchtliche Anzahl von Schweizer Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne, die diese Umsatzgrenze überschreiten, betroffen sein.

Die Mindestbesteuerung wird demnächst auch auf internationaler Ebene in Kraft treten. Hätte sich die Schweiz dafür entschieden, die GloBE-Regeln nicht in ihre eigene Gesetzgebung zu übernehmen, wären andere Länder, die diese Regeln übernommen haben, berechtigt gewesen, die Steuerdifferenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15% und dem effektiven Steuersatz bei der betroffenen Schweizer Gesellschaft zu erheben, was zu Lasten der Schweiz gegangen wäre.

Das Schweizer Volk hat sehr gut verstanden, was bei der Abstimmung auf dem Spiel stand, indem es den Steuerbehörden erlaubte, eine Ergänzungssteuer nicht nur von Schweizer Unternehmen zu erheben, die der Säule II (Schweizer Ergänzungssteuer) unterliegen, sondern auch von ausländischen Unternehmen, die keine steuerliche Verbindung zu unserem Land haben. Für letztere  erlaubt die GloBE-Regelung der Schweiz die Erhebung einer Ergänzungssteuer in Höhe der Differenz zwischen dem Steuersatz von 15% und dem effektiven Steuersatz des ausländischen Unternehmens, welches ein Teil der Gruppe bildet (internationale Zusatzsteuer).

Mit dem Vorschlag, im Dezember 2022 einen Bundesbeschluss zu verabschieden, hat das Parlament die steuerlichen und finanziellen Herausforderungen der Säule II für unser Land klar antizipiert und gleichzeitig versucht, Schweizer Unternehmen vor zusätzlichen Steuerverfahren im Ausland zu schützen. Eine neue Version des Verordnungsentwurfs wurde am 24. Mai 2023 veröffentlicht und in die Vernehmlassung geschickt. Die Säule II soll am 1. Januar 2024 in Kraft treten, sofern dieses Datum auch von den anderen Ländern übernommen wird, und der erste "GloBE Information Return" (GIR) soll frühestens am 30. Juni 2026 eingereicht werden.

Die neuen Regelungen der Säule II

Die Umsetzung der Säule II ist komplex. Multinationale Konzerne müssen die GloBE-Vorschriften so schnell wie möglich verstehen, die steuerlichen Auswirkungen antizipieren, den Anhang zum Konzernabschluss anpassen und die durch die neuen Steuervorschriften auf internationaler Ebene festgelegten Berichterstattungs-und Besteuerungsverfahren so gut wie möglich einhalten. Die Überwachung der Änderungen in der schweizerischen Steuergesetzgebung und derjenigen der Länder, in denen der Konzern tätig ist, wird ebenfalls eine wichtige Herausforderung darstellen, um die Änderungen zu antizipieren  und die Aktionspläne des Konzerns anzupassen. Die Säule II bringt somit eine neue Dimension in die Tax Governance grosser internationaler Konzerne, die sich mit zunehmenden steuerlichen Risiken und Kontroversen auseinandersetzen müssen.

Wenn wir die wichtigsten Schritte der Umsetzung der Säule II durch die betroffenen Gruppen zusammenfassen müssten, wären die folgenden Massnahmen zu nennen:

Akionen

Kommentare

Prüfung, ob die Gruppe in den Anwendungsbereich von Säule II fällt

  • Überprüfung des CbCR
  • Überprüfung des Schwellenwerts von 750 Millionen Euro konsolidiertem Jahresumsatz in zwei der letzten vier Geschäftsjahre

Identifizierung der Konzerneinheiten in jedem Land

  • Überprüfung des Organigramms der Gruppe
  • Identifizierung der von Säule II ausgeschlossenen Einheiten

Identifizierung von temporären GloBE-Schutzregelungen und permanenten Schutzregelungen im Rahmen von Säule II (Safe Harbour Regeln)

  • So sind beispielsweise auf der Grundlage des CbCR-Situationen zu ermitteln, in denen der materielle Abzug höher ausfallen könnte als der GloBE-Gewinn.

Prüfung, ob der Konzern seinen konsolidierten Abschluss nach einem international anerkannten Rechnungslegungsstandard erstellt (z.B. IFRS)

  • Der Mindeststeuersatz wird nicht anhand des Gewinns aus dem statutarischen Abschluss nach dem Obligationenrecht berechnet, sondern anhand des um die GloBE-Regeln bereinigten IFRS-Gewinns jeder Einheit, die die Gruppe bildet.
  • Die GloBE-Anpassungen können zu erheblichen Unterschieden zwischen dem GloBE-Gewinn und dem steuerpflichtigen Gewinn nach Schweizer Steuerrecht führen.

Anwendung der GloBE-Anpassungen zur Berechnung des steuerbaren Gewinns

Durchsicht des konsolidierten IFRS-Jahresergebnisses und Identifizierung insbesondere:

  • konzerninterner Transaktionen, die genauso behandelt werden wie externe Transaktionen
  • der Erträge aus qualifizierten Beteiligungen, die vom massgeblichen Gewinn ausgeschlossen sind 
  • von Gewinnen und Verlusten im Zusammenhang mit Umstrukturierungsmassnahmen der Gruppe, die nicht berücksichtigt werden
  • bestimmter Fremdwährungsgewinne oder -verluste, die angepasst werden
  • der Ergebnisse aus der internationalen Schifffahrt, die von der Mindestbesteuerung ausgenommen sind

Identifizierung der massgeblichen Steuern nach den GloBE-Regeln 

  • In der Schweiz gehören dazu insbesondere die Gewinnsteuer, die Kapitalsteuer und teilweise auch die Verrechnungssteuer als Quellensteuer. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die aus der Konzernrechnung hervorgehenden aktiven und passiven latenten Steuern.

Ermittlung des effektiven Steuersatzes der Konzerngesellschaften nach Ländern 

  • Vergleich der Summe der massgeblichen Steuern in einem Land mit der Summe der massgeblichen Gewinne in demselben Land

Berechnung des zusätzlichen Steuerprozentsatzes  

  • Die zusätzliche Steuer entspricht der Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15% und dem effektiven Steuersatz der betreffenden Einheit.

Berechnung des zusätzlichen Steuerbetrags auf der Grundlage des Gewinnüberschusses

  • Der Gewinnüberschuss entspricht dem nach den Substanzkriterien reduzierten GloBE-Gewinn. Die Kürzung wird berechnet, indem auf die Lohnkosten und das Sachvermögen ein in den GloBE-Vorschriften festgelegter Prozentsatz angewendet wird.

Die Komplexität des Schweizer Steuersystems bei der Umsetzung der GloBE-Regeln

Nach den GloBE-Regeln wird der effektive Steuersatz für jedes Land durch die Aggregation des Einkommens und der Steuern aller Unternehmen der Gruppe, die diesem Land angehören, berechnet.

Das Schweizer Steuersystem fügt der Umsetzung der GloBE-Regeln ein zusätzliches Mass an Komplexität hinzu. Zunächst einmal ist jeder Kanton die Veranlagungsbehörde für die Erhebung der kantonalen und eidgenössischen Steuern von im Kanton ansässigen Unternehmen. Da die Kantone auch die Veranlagungsbehörden für die neue Zusatzsteuer sind, legt der Verordnungsentwurf die Regeln für die Identifizierung des Kantons fest, der die Veranlagung für die gesamte Gruppe der in der Schweiz ansässigen Unternehmen durchführt.  

Darüber hinaus wird der effektive Steuersatz eines Unternehmens, das in mehreren Kantonen tätig ist, von den interkantonalen Aufteilungsregeln beeinflusst, die zur Aufteilung seines Gewinns und Kapitals zwischen den Kantonen gewählt wurden, da einige Kantone effektive Steuersätze unterhalb der 15%-Schwelle haben, während andere Kantone effektive Steuersätze über 15% haben.

Schliesslich könnte die Mindestbesteuerung von 15% auch in Kantonen mit Steuersätzen über 15% nicht erreicht werden. Eine solche Situation könnte zum Beispiel dann eintreten, wenn ein Unternehmen von der Patentbox-Regelung profitiert, die eine privilegierte Besteuerung von Patenteinkünften vorsieht.

Erläuterungen zum konsolidierten Jahresabschluss

Der IASB hat am 23. Mai 2023 eine Änderung von IAS 12 veröffentlicht, die die Berücksichtigung der steuerlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Säule II vorsieht.

Auf dieser Grundlage müssen internationale Konzerne die Auswirkungen der neuen internationalen Steuervorschriften bereits bei der Erstellung des Anhangs für das am 31. Dezember 2023 endende Geschäftsjahr berücksichtigen. 

Andere Aspekte im Zusammenhang mit den latenten Steuern sollten vor dem nächsten Jahresabschluss Gegenstand einer spezifischen Analyse sein.

Zusammenfassend

Die Säule II gestaltet die internationale Steuerlandschaft neu. Die neuen Steuervorschriften zwingen Steuerbehörden, Steuerzahler und Steuerberater dazu, ihre Herangehensweise an die steuerlichen Auswirkungen zu ändern, die insbesondere internationale Konzerne betreffen. Es ist wichtig, sich bereits jetzt auf die Umsetzung dieser neuen Vorschriften vorzubereiten, sowohl in der Schweiz als auch international. Mazars steht Ihnen dabei zur Seite!