Reform der Anrechnung ausländischer Quellensteuern: Senkung der Steuerlast und des Doppelbesteuerungsrisikos

Zins-, Dividenden- und Lizenzerträge sind ein konkretes Beispiel für eine mögliche Doppelbesteuerung von Schweizer Unternehmen. Denn dazu kommt es, wenn solche Erträge, auf die in vielen Quellstaaten eine Quellensteuer erhoben wird, im Aufenthaltsstaat des Belasteten (d.h. in der Schweiz) einer ähnlichen Besteuerung unterliegen.

Nach Inkrafttreten der geänderten Regeln über die Vorgänge bei Gutschrift ausländischer Quellensteuern zur Reduzierung der Steuerlast in der Schweiz, haben inländische Unternehmen und Niederlassungen ausländischer Unternehmen nun ein geeigneteres Instrument zur Hand. Denn richtig angewandt sollten sie mit besagter Gutschrift (der sogenannten «pauschalen Steueranrechnung» bis im Steuerjahr 2019) ihre Steuerabgaben in der Schweiz reduzieren und das Risiko einer möglichen Doppelbesteuerung eindämmen können. 

Situation vor Ende 2019

Sofern ein mit dem jeweiligen Quellenstaat geschlossenes Doppelbesteuerungsabkommen (nachfolgend das «DBA») dies vorsieht, können in der Schweiz ansässige Empfänger von Zinsen, Dividenden oder Lizenzgebühren die Anrechnung einer nicht erstattungsfähigen ausländischen Quellensteuer auf die jeweiligen Steuern, welche in der Schweiz auf solche Erträge erhoben werden, beantragen.

Infolgedessen gleicht der nicht erstattungsfähige Anteil der ausländischen Quellensteuer (nachfolgend residuale Quellensteuer) die Schweizer Besteuerung der im entsprechenden Jahr generierten Erträge aus. In manchen Fällen können die Schweizer Steuerbehörden jedoch die pauschale Steueranrechnung teilweise oder ganz ablehnen.

In der Schweiz kommt der Grundsatz der gewöhnlichen Steueranrechnung zur Anwendung: Einerseits wird die Anrechnung bis zu der gemäss DBA zulässigen residualen Quellensteuer des Quellenstaates gewährt, andererseits ist sie gedeckelt von der Schweizer Steuer, die auf das entsprechende Einkommen erhoben wird (nachfolgend der «Höchstsatz»).

In bestimmten Fällen sind die alten Regelungen ungeeignet für Schweizer Unternehmen oder Niederlassungen ausländischer Konzerne, zum Beispiel:

  • die Tatsache, dass die Schweizer Niederlassung eines ausländischen Unternehmens die im Ausland erhobene residuale Quellensteuer nicht mit der entsprechenden Schweizer Steuer verrechnen kann;
  • die pauschale Zuordnung der Pauschalsteuer auf die vom Bund erhobene Steuer (1/3) und die Kanton- oder Gemeindesteuer (2/3). Durch diese Aufsplittung (nachfolgend die «pauschale Verrechnungsmethode») konnten bestimmte Schweizer Unternehmen, die auf kantonaler Ebene einen Sonderstatus geniessen (z.B. Hilfs-oder Holdinggesellschaften), bis 2019 stark benachteiligt werden.

Um die Wettbewerbsfähigkeit von in der Schweiz ansässigen Unternehmen auf internationaler Ebene weiter zu fördern, musste der Bundesrat die Verordnung über die pauschale Steueranrechnung anpassen und die Besteuerung grenzüberschreitender Transaktionen weiter senken. 

Zusammenfassung der seit Januar 2020 geltenden Regeln 

  • Ausweitung auf Niederlassungen ausländischer Unternehmen

Ausländische Unternehmen können fortan die Steueranrechnung für ihre Schweizer Niederlassungen anwenden. Hierzu bedarf es eines entsprechenden DBA zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Heimatstaat des Steuerpflichtigen, und beide müssen jeweils über eine entsprechende Vereinbarung mit den betreffenden Quellenstaaten verfügen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (nachfolgend  «ESTV») wird jedoch nur die geringere residuale Quellensteuer akzeptieren, die sich aus den mit dem betreffenden Quellenstaat geschlossenen Verträgen ergibt.

  • Berechnung des Höchstsatzes

Ab dem Steuerjahr 2020 wird nur das Einkommen, welches der residualen Quellensteuer von Ländern unterliegt, die ein DBA mit der Schweiz geschlossen haben, berücksichtigt, und diese Steuer wird für jede Einkommensart separat berechnet (Zinsen, Dividenden, Lizenzgebühren und Serviceumsätze). Zudem beinhaltet der Höchstsatz nun auch Kirchensteuern.

  • Verrechnung des Höchstbetrages auf Grundlage des effektiven Ertragsteueraufwandes.

Im Gegensatz zum alten System (d.h. pauschale Zuordnungsmethode) ist nun eine Allokation basierend auf der tatsächlich erhobenen Ertragssteuer gemäss der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen möglich, was die Gleichbehandlung erhöht und das Risiko einer potenziellen internationalen Doppelbesteuerung verringert.

  • Neuer Höchstsatz / Abzüge

Der Anrechnungswert pro Anfrage muss sich auf mindestens CHF 100 belaufen und ist somit doppelt so hoch wie vor der Reform. Der Höchstsatz entspricht der gesamten Schweizer Besteuerung der betreffenden Nettoeinnahmen, ohne die anteilige Kürzung für die teilweise Steuerbefreiung auf kantonaler oder Bundesebene, womit auch die Abschaffung der kantonalen Sonderstatus berücksichtigt wird.

Was die anwendbaren Abzüge zur Feststellung des Höchstsatzes anbelangt, so reduzieren sich diese durch Negativzinsen und andere damit verbundene Aufwendungen um einen geschätzten Pauschalprozentsatz von 5% auf Dividenden und - ab dem Steuerjahr 2020 - auf Zinseinnahmen von Unternehmen. Für Einkünfte aus IP-Lizenzierungen, die gemäss der neu eingeführten Nexus-Formel steuerbefreit sind, werden die diesbezüglichen Finanzaufwendungen auf die Hälfte des Brutto-Lizenzertrags geschätzt. In beiden Fällen können sowohl der Steuerpflichtige als auch die Behörde einen Nachweis über einen offenkundig abweichenden Betrag dieser Aufwendungen erbringen. 

  • Mindestsatz Eigenkapitalsteuer

Mehrere Kantone befreien profitable Unternehmen von der Eigenkapitalsteuer bis zur Höhe ihrer tatsächlichen Einkommenssteuerlast. Insofern bleibt ein Mindeststeuersatz bestehen, auf den keine weiteren Steuergutschriften angerechnet werden können. 

Schlussfolgerung

Wir empfehlen Unternehmen, die ihren Sitz oder eine Niederlassung in der Schweiz haben, ihre Strategie bezüglich der Beantragung einer Anrechnung der ausländischen Quellensteuer ab der Steuerperiode 2020 angesichts der seit Januar 2020 geltenden Neuregelungen zu überdenken.

Unter Berücksichtigung des Inkrafttretens der neuen STAF (z.B. Patentbox, zusätzliche Abzüge für Forschung und Entwicklung) sowie der deutlichen Senkung der kantonalen Gewinnsteuer profitieren in der Schweiz ansässige juristische Personen zudem von einer signifikant niedrigen Steuerbelastung.

Beitrag von Virginie Perlotto und Andriy Chubatyuk