Neue Vermögenssteuer in Frankreich: Führt dies zu einer Doppelbesteuerung mit der Schweiz?

Seit dem 1. Januar 2018 gilt in Frankreich eine neue Vermögenssteuerregelung. Die Vermögenssteuer wurde bislang auf alle Vermögenswerte erhoben, sofern es sich nicht um Vermögen handelte, das für berufliche Zwecke benötigt wird. Die neue Regelung sieht lediglich eine Besteuerung des Immobilienvermögens vor. Auf den ersten Blick scheint die Regelung einfach. Unter steuerlichen Gesichtspunkten erweist sich diese Abgrenzung jedoch als weit weniger klar, wenn es darum geht, das Immobilienvermögen innerhalb eines Investmentfonds oder einer Lebensversicherung zu ermitteln, welche bis dato als bewegliches und nicht als unbewegliches Vermögen galten. Nun hat sich gezeigt, dass für in der Schweiz ansässige Personen, die in Frankreich vermögenssteuerpflichtig sind, die Gefahr einer Doppelbesteuerung besteht. Dies hängt damit zusammen, dass dieses Vermögen, welches gemäss dem französischen Fiskus zum Immobilienvermögen gehört, vom Schweizer Fiskus nicht unbedingt als solches anerkannt wird.

Die Grundsätze der neuen Immobiliensteuer (Impôt sur la fortune immobilière – IFI) in Frankreich

Seit dem 1. Januar 2018 ist in Frankreich nur noch das Immobilienvermögen vermögenssteuerpflichtig. Doch anstatt einer ausschliesslichen Besteuerung der Immobilien, welche sich im unmittelbaren Besitz der Steuerpflichtigen befinden, was eine einfache und übersichtliche Regelung wäre, sind die Steuerzahler gemäss den neuen Bestimmungen dazu verpflichtet, ihr Vermögen bis ins Detail aufzuschlüsseln, um jeden auch noch so kleinen Immobilienbesitz herauszuschälen. So müssen Investmentfonds, Lebensversicherungen und sogar Unternehmensgruppen (unabhängig davon, ob sie der Immobilienbranche angehören oder nicht) unter die Lupe genommen werden. Tatsächlich könnte mit der Umsetzung dieser neuen Regelungen indirekter Besitz in vielen Fällen als Immobilienvermögen klassifiziert werden.

Dies hat zur Folge, dass nicht in Frankreich ansässige Personen, die dort jedoch indirektes Immobilienvermögen halten, gemäss IFI höher besteuert würden als unter der Solidaritätssteuer auf Vermögen (ISF). Denn von nun an werden ihre gesamten Beteiligungen in Höhe des Immobilien-Koeffizienten besteuert (Anteil des repräsentativen Wertes der in Frankreich gelegenen Immobilien, welche direkt oder indirekt von der Gesellschaft gehalten werden) und Elemente, die zuvor nicht unter die ISF fielen, werden zum steuerbaren Vermögen hinzugerechnet.

Die Abzugsfähigkeit von Schulden wurde ebenfalls einer Prüfung unterzogen. Familienschulden dürfen nicht mehr in Abzug gebracht werden, falls die Tilgungs- und Zinsmodalitäten nicht den Marktbedingungen entsprechen. Zinslose Darlehen, welche Eltern ihren Kindern für den Erwerb eines Zweitwohnsitzes einräumen, sind somit nicht mehr zwingend abzugsfähig (zur Erinnerung: seit 2012 können die Kontokorrentkonten der Gesellschafter nicht mehr vom steuerbaren Vermögen in Abzug gebracht werden). Darüber hinaus können die sogenannten «endfälligen» Darlehen nicht mehr vollständig abgezogen werden und für steuerbare Vermögen mit einem Wert von mehr als 5 Millionen Euro wurde eine allgemeine Begrenzung der Abzugsfähigkeit der Schulden eingeführt. So werden sich möglicherweise gewisse Steuerpflichtige, die in der Vergangenheit aufgrund ihrer Schulden bei Angehörigen keine ISF bezahlt haben, gezwungen sehen, in naher Zukunft die Immobiliensteuer zu entrichten.

Was bedeutet dies für in der Schweiz ansässige Personen?

Das Schweizer Steuerrecht weist das Besteuerungsrecht an unbeweglichem Vermögen (beispielsweise Immobilien) demjenigen Land zu, in welchem sich die Liegenschaft befindet. Dies bedeutet, dass das Schweizer Steuerrecht ausländische Immobilien bei der Berechnung der Vermögenssteuer von der Bemessungsgrundlage ausgenimmt und nur satzbestimmend berücksichtigt (Freistellung unter Progressionsvorbehalt). Die Besteuerung des beweglichen Vermögens erfolgt hingegen am Wohnort der steuerpflichtigen Person. Die Frage, ob ein bestimmter Vermögensbestandteil als unbewegliches oder bewegliches Vermögen eingestuft wird, ist somit von entscheidender Bedeutung.

Bisher gilt laut Schweizer Steuerbehörde ein (Immobilien-) Investmentfonds nicht als Immobilie. Genauso gelten die Aktien von operativen Gesellschaften (ausser Immobiliengesellschaften), die eine Renditeliegenschaft halten, nicht als Immobilienvermögen. Und schliesslich hat, gemäss der Auffassung des Schweizer Fiskus, eine Lebensversicherung nichts mit einem Immobilienvermögen zu tun, und zwar unabhängig von ihrer Anlagestrategie.

In dem neuen Modell der Immobiliensteuer sieht der Gesetzgeber in Bezug auf Immobilien in Frankreich, die von einer Gesellschaft gehalten werden, die Anwendung einer neuen Steuer vor, und zwar für alle Gesellschaften, unabhängig davon, ob sie börsennotiert sind oder nicht, ihrer steuerlichen Behandlung oder  ihres Firmensitzes. Darüber hinaus wurde der Begriff der Gesellschaft mit vorwiegendem Immobiliencharakter abgeschafft.

Besteht die Gefahr einer Doppelbesteuerung?

Diese Gesetzesänderung birgt das Risiko, dass das  französische Recht bestimmte Vermögensbestandteile als Immobilien klassifiziert, welche in der Schweiz jedoch als bewegliches Vermögen betrachtet werden. So könnte beispielsweise eine französische Lebensversicherung, deren Kapital in Immobilienfonds angelegt ist, der Immobiliensteuer unterliegen, und gleichzeitig  der Schweizer Vermögenssteuer. Für eine in der Schweiz ansässige Person könnte dies am Ende bedeuten, dass sie für ein und denselben Vermögensbestandteil auf beiden Seiten der Grenze bezahlen muss.

Wie kann die Doppelbesteuerung vermieden werden?

Die Auswirkungen auf nicht in Frankreich ansässige Personen könnten abgeschwächt werden, wenn der Begriff «vorwiegender Immobiliencharakter» ersetzt würde durch «indirekter Immobilienbesitz». Personen mit Wohnsitz in der Schweiz müssten sich auf den Schutz der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen den beiden Ländern berufen dürfen, das sich immer noch auf den Begriff des vorwiegenden Immobiliencharakters stützt. Die Frage, wie die französischen Steuerbehörden die Besteuerung von nicht in Frankreich ansässigen Personen, die von einem solchen Doppelbesteuerungsabkommen profitieren, anpasst, ist jedoch noch vollkommen offen.

Es scheint eher unwahrscheinlich, dass die französischen oder Schweizer Steuerbehörden das Problem der Doppelbesteuerung, das die Immobiliensteuer allenfalls auslösen könnte, vorausgesehen haben. Allerdings erstellen die der Immobiliensteuer unterliegenden Steuerpflichtigen bereits ihre Vermögenssteuererklärung für 2018, während die Schweizer Steuererklärungen für denselben Zeitraum erst im Jahr 2019 eingereicht werden müssen. Die betroffenen Steuerpflichtigen haben also ein Zeitfenster von mehreren Monaten, in dem sie ihr Vermögen in Frankreich, das der dortigen Immobiliensteuer sowie möglicherweise auch der Vermögenssteuer in der Schweiz unterliegt, prüfen können, um allenfalls zusammen mit dem Schweizer und/oder französischen Fiskus nach einer Lösung zu suchen.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Steuerbehörden gewillt sind, sich aktiv mit dieser Problematik zu befassen. Als letztes Mittel sieht das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich ein Verständigungsverfahren vor, das unter bestimmten Voraussetzungen eine Doppelbesteuerung aufhebt. Der grösste Nutzen allfälliger Verständigungsverfahren in den kommenden Monaten wäre die Festlegung einer Definition dafür, was im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens als Immobilie gilt und was nicht. Gleichwohl zeigen die Statistiken des Bundes, dass die durchschnittliche Dauer solcher Verfahren bei weit über einem Jahr liegt. Wenn wir davon ausgehen, dass allfällige Verständigungsverfahren realistischerweise nicht vor 2019/2020 eröffnet werden (für die Einleitung solcher Verfahren werden Steuerentscheide des Schweizer Fiskus betreffend das Steuerjahr 2018 benötigt), lässt sich unschwer feststellen,  ob? dies der Beginn einer Rechtsunsicherheit ist, die mehrere Jahre andauern wird. Vermögensumschichtungen zur Abwendung von Einstufungskonflikten und somit zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung könnten sich in bestimmten Situationen als sinnvoll erweisen.