FINIG / FIDLEG: Eine Schweizer MiFID II?

Am 15. Juni 2018 hat die Bundesversammlung das Finanzinstitutsgesetz (FINIG) und das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) verabschiedet. Die diesbezüglichen Verordnungen waren Gegenstand einer Vernehmlassung, die am 6. Februar 2019 abgeschlossen wurde. Sie werden nun von der FINMA fertiggestellt und werden voraussichtlich per 1. Januar 2020 in Kraft treten. Allem Anschein nach handelt es sich dabei um eine einfache nationale Umsetzung der seit Januar 2018 in der Europäischen Union (EU) angewandten Richtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive)

Schweizerische und ausländische Finanzinstitute, welche diese Bestimmungen bereits verankert haben, sind daher nun eine gute Länge voraus. Dabei ist jedoch nicht zu vernachlässigen, dass es entscheidende Unterschiede zwischen den schweizerischen und den europäischen Anforderungen gibt, welche die Institute zu strukturellen Entscheidungen zwingen werden. Dies gilt sowohl auf organisatorischer Ebene als auch im Hinblick auf interne Prozesse und Kundenbeziehungen. 

Die «regulatorische Lücke» gegenüber MiFID II und PRIIPs wird kleiner 

Zur Erinnerung: FINIG und FIDLEG sehen insbesondere für unabhängige Vermögensverwalter eine Verschärfung der Anforderungen gegenüber den aktuellen Bestimmungen vor. Die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sind in Bezug auf Eigenmittel und Mindestkapital, Finanzgarantien oder Zusammensetzung der Führungsorgane restriktiver. Vermögensverwalter und Treuhänder unterliegen von nun an der Aufsicht neuer, der FINMA angegliederter Überwachungsorgane, während sich alle Finanzinstitute einer Ombudsstelle anschliessen und ihre Prospekte neuen Kontrollorganen vorlegen müssen. Schliesslich wurden die Transparenzvorschriften, die einerseits die Provisionen und Retrozessionen und andererseits die Prospekte und Informationsblätter betreffen, ebenfalls verschärft. 

Ziel dieser Anforderungen ist die Ausrichtung auf MiFID II und PRIIPs. Allerdings gibt es nach wie vor mehrere entscheidende Unterschiede.

  • MiFID II verbietet Provisionen und Retrozessionen durch Dritte, ausser in besonderen Fällen, während das FIDLEG diese erlaubt, sofern der Kunde darüber in Kenntnis gesetzt wurde.
  • Die Schweiz führt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit für kleine Organisationen ein.
  • Vermögensverwalter in der Schweiz sind zur Einführung einer besonderen Governance für das Risikomanagement und die interne Kontrolle verpflichtet.
  • Schliesslich ist das in der FIDLEV aufgegriffene «Basisinformationsblatt», das «Produktinformationen» für den Kunden enthält, weniger restriktiv als das in der PRIIPs vorgesehene Äquivalent. 

Die Herausforderung: das Abwägen zwischen den schweizerischen und den europäischen Regeln

Aus dieser Analyse ergibt sich, dass die schweizerische Regulierung insgesamt weniger einschränkend ist. Wenngleich viele Finanzakteure am Standort Schweiz zu einer Harmonisierung der Regelungen aufrufen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sprechen sie sich gleichzeitig gegen allzu restriktive Verpflichtungen aus, damit die Akteure auch weiterhin über eine grössere Verantwortung und Freiheit bei Vertragsverhandlungen verfügen. In diesem Fall besteht die Herausforderung für Institute in der Schweiz, welche sich an die europäischen Regelungen halten, in der Entscheidung, ob eine Anwendung der einschränkenderen Regelungen in allen betroffenen Rechtsordnungen und eine organisatorische Vereinfachung vorzuziehen ist, auch wenn damit möglicherweise wirtschaftliche Einbussen verbunden sind. 

Wir haben zudem festgestellt, dass auch die schweizerischen Datenschutzvorschriften im Vergleich zu den europäischen Bestimmungen weniger restriktiv sind. Während MiFID II, PRIIPs, FINIG und FIDLEG eine Erhöhung des Volumens der zu erhebenden Daten vorsehen, ist der Schutz dieser Daten in der EU durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und in der Schweiz durch das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG – aktuell in Revision) geregelt. Der Entwurf für die Revision des DSG sieht gegenüber der DSGVO insbesondere weniger Einschränkungen in Bezug auf Informationen vor, die den Kunden bei sämtlichen Datenanfragen zwingend übermittelt werden müssen. 

Die Verschärfung der Bestimmungen für Finanzinstitute und Finanzdienstleistungen stellt somit eine grosse Herausforderung für Institute dar, die sowohl in der Schweiz als auch in der EU tätig sind, denn sie müssen nicht nur die länderspezifischen Anforderungen miteinander in Einklang bringen, sondern auch den zu erwartenden Anpassungen Rechnung tragen. So ist von einer Revision der PRIIPs-Verordnung auszugehen, wenngleich sie kürzlich verschoben wurde. Zwar begrüssen wir die Bemühungen um eine Harmonisierung der regulatorischen Vorschriften, müssen jedoch anmerken, dass der Weg bis zu ihrer vollständig Umsetzung noch weit ist.

Autoren: Laurent Jankowiak, Dominique Auduon und Jorge Lopez Bahamonde