ICAP-Projekt der OECD: Vermeidung von Doppelbesteuerung und internationalen Steuerstreitigkeiten

BEPS (Base Erosion and Profit Sharing) ist eine Initiative, um die Regeln der internationalen Besteuerung grundlegend neu zu definieren. Zu den 15 ambitionierten Massnahmen des BEPS-Projekts gehört das Bestreben, die Doppelbesteuerungen zu vermeiden und stattdessen Massnahmen für eine einheitlichere und koordinierte Bewertung von grenzüberschreitenden Steuerrisiken für multinationale Unternehmen einzuführen. Die OECD arbeitet mit Unterstützung des Forums der Steuerbehörden daran, die steuerliche Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden zu verbessern und vor allem die rechtlichen Komplikationen zu vermeiden, die sich aus der internationalen Doppelbesteuerung für Unternehmen ergeben können.

Um dieses Ziel zu erreichen, führt die OECD aktuell das ICAP-Pilotprojekt (International Compliance Assurance Programme) durch, eine Art freiwillige Partnerschaft zwischen multinationalen Unternehmen und Steuerbehörden. 

Ein Instrument zur Bekämpfung der Herausforderungen der Doppelbesteuerung und internationaler Steuerstreitverfahren 

Das ICAP-Pilotprojekt konzentriert sich auf die multilaterale, steuerliche Risikobeurteilung von grossen, grenzüberschreitenden Unternehmen sowie auf die gemeinsame Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden der Länder, in denen die Unternehmen aktiv sind. Durch die Koordination der Gespräche zwischen einem multinationalen Unternehmen und mehreren Steuerbehörden fördert ICAP die effiziente Anwendung der Verrechnungspreisdokumentation, einschliesslich der länderspezifischen Berichte des multinationalen Unternehmens. Damit bietet ICAP damit ein schnelles, einfach verständliches und effizientes Instrument, die Zusammenarbeit zu verbessern und internationale Steuerfragen aus einer multilateralen Perspektive zu integrieren. Durch ICAP dürfte es in Zukunft sowohl für die multinationalen Unternehmen als auch für die Steuerbehörden weniger Auflagen geben und die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten, die oft oftmals in kostspieligen Verständigungsverfahren münden, sollte dadurch reduziert werden können. 

ICAP ist aber nicht nur ein Instrument zur Verbesserung der Rechtssicherheit für multinationale Unternehmen, sondern auch ein Mittel zur Ressourceneinsparung sowie zur Optimierung der Analyseergebnisse aufgrund der gesammelten Informationen. Und dies besonders im Zusammenhang mit der länderspezifischen «Country by Country» Reports. Die OECD möchte mit dieser Initiative eine «Win-Win-Situation» für die Unternehmen und Steuerbehörden schaffen. 

Vermeidung internationaler Steuerstreitigkeiten – wie funktioniert das ICAP? 

ICAP ist ein mehrstufiger Prozess: 

  1. Zulassung: Bei diesem Prozess wendet sich der Mutterkonzern einer transnationalen Unternehmensgruppe an die Steuerbehörde an ihrem Hauptsitz, obwohl es möglich ist, dass eine andere Behörde als die des Hauptsitzes benannt werden kann. Bei den Fällen des ersten Pilotprojekts waren zwischen vier und acht verschiedene Länder beteiligt. Die betroffenen Länder müssen in der Lage sein, die notwendigen Informationen auf der Grundlage der Amtshilfe, die im Rahmen bilateraler Steuerabkommen oder multilateraler Vereinbarungen geleistet wird, auszutauschen.
  2. Scoping: Das Unternehmen erklärt zunächst seine Situation und die Gründe, warum es an dem Programm teilnehmen möchte. Anschliessend muss es eine Reihe von Informationen zur Verfügung stellen, um den Umfang der erwarteten Untersuchungen zu vertiefen. Diese zweite Phase führt zu einer Vereinbarung zwischen den betroffenen Behörden über den Umfang der von den Steuerverwaltungen durchzuführenden Analysen.
  3. Risikobewertung und Problemlösung: Die betreffenden Risiken betreffen hauptsächlich die Verrechnungspreise. Es kann aber auch Probleme im Zusammenhang mit der Betriebsstätte oder anderen grenzüberschreitenden Risiken geben. Der abgedeckte Zeitraum (nach 2015) muss ebenfalls definiert werden, da die Analyse im Prinzip auf die beiden darauffolgenden Geschäftsjahre anwendbar sein sollte.
  4. Schlussfolgerung: In der letzten Phase, an deren Ende die Schlussfolgerungen und die Ausstellung eines Versicherungsausweises steht, erfolgt die Risikobewertung, d.h. die Prüfung durch die Steuerbehörden. Das Unternehmen erhält ein Schreiben von jeder Behörde, in dem sie ihren Standpunkt zu den behandelten Fragen darlegt. Selbstverständlich müssen sich die Behörden in Bezug auf die einzelnen Antworten untereinander abstimmen. 

ICAP befindet sich noch in der Pilotphase. Sie ist zweifellos eine notwendige Voraussetzung für die geplante BEPS-Einführung, um die Unternehmen zu beruhigen, die mit einer vollständigen Überarbeitung der Regeln und einer Fülle von Berichtspflichten konfrontiert sind. Daher ist es durchaus sinnvoll, dieses Programm transnationalen Unternehmen vorzustellen, die aus verfahrenstechnischer Sicht sehr strenge fiskalische Regeln einhalten müssen.

Keine Schweizer Teilnahme am ICAP-Pilotprojekt vorerst

Die Schweiz nimmt bislang nicht am ICAP-Programm teil. Sie zieht es vor, eine abwartende Haltung einzunehmen und die nächsten Entwicklungen dieses Programms aufmerksam zu verfolgen. Für Schweizer Unternehmen dürfte es daher interessant sein, die zukünftige Entwicklung dieses Instruments zur Stärkung der internationalen Steuerdisziplin unter Verwendung neuer Technologien, Analysetools und Daten zu verfolgen. Und dies unter dem Gesichtspunkt der Reduzierung der Verwaltungsgebühren, der Effizienzsteigerung und der Dienstleistungsoptimierung zugunsten der Steuerpflichtigen.

Beitrag von Nathalie Pellanda Gaud und Jean Gafan