Wird die zukünftige Krise klimawandelbedingt?

L'Agefi - 15. November 2019

Das Fortbestehen negativer Wachstumsraten, ein drohender Handelskrieg zwischen China und den USA und die Angst vor einer Rezession – all dies sind beunruhigenden Anzeichen für eine erneute Krise. Dabei stellt sich jedoch nicht die Frage ob, sondern wann die nächste Krise ausbrechen wird. Nach der Staats- und Finanzschuldenkrise steht uns wohl als nächstes eine Klimakrise bevor.

Die Situation ist durchaus beunruhigend. Die Gletscherschmelze, der Anstieg des Meeresspiegels, der Rückgang des Meereises und sich verändernde Ökosysteme sind ausreichende Beweise dafür, dass es unserem Planeten schlecht geht, was auch der letzte Bericht des IPCC unterstreicht. Dieser zieht eine alarmierende Bilanz, denn der Meeressspiegel steigt doppelt so schnell an wie noch vor 50 Jahren, so dass einige Städte in 30 bis 40 Jahren überflutet sein werden!

Während sich die Unterzeichnerstaaten des Abkommens von Paris verpflichtet haben, die Erderwärmung bei zwei Grad zu halten, sind die Experten des IPCC von ihrer Prognose abgekommen und haben erklärt, dass die Erderwärmung fortan bei 1.5 Grad gehalten werden müsse. Dazu müssten die Ziele des Abkommens von Paris jedoch fünf Mal hochgesteckt werden. Parallel dazu hat die UNO 17 nachhaltige Entwicklungsziele (SDG) bis 2030 definiert. Ist dies nur ein frommer Wunsch oder gibt es realistische Chancen, diese Ziele tatsächlich zu erreichen?

Es besteht dringender Handlungsbedarf. Nachhaltige Entwicklung und allen voran die gesellschaftliche und ökologische Verantwortung der Unternehmen (CSR) sind keine neuen Konzepte, aber durch die Einführung von Kennziffern sind die erforderlichen Bemühungen von nun an messbar. Es sind mehrere Initiativen zutage getreten (Zertifizierungen, Label, ISO-Normen), die jedoch naturgemäss von dem guten Willen der Unternehmen abhängen. Auch wenn der Ausdruck für Irritationen sorgt, so bedarf es doch gewisser Auflagen, um diese Ziele zu erreichen und eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.

In der Finanzwelt führen insbesondere Zentralbanken und Aufsichtsbehörden nach und nach «Standards» ein, die dem Dreigestirn «Klarheit-Messbarkeit-Transparenz» Rechnung tragen sollten.

Klarheit: Eine erste Version der europäischen Taxonomie über die grünen Anlagen ist im Juni 2019 erschienen. Diese stellt das oberste Ziel des Massnahmenplans für eine nachhaltige Finanzwirtschaft der EU-Kommission. Der Bundesrat hat ein Expertengremium eingerichtet zur Untersuchung der Bestandteile dieser Taxonomie, die jedoch erst Anfang 2022 in Kraft treten soll.

Messbarkeit: Die Integration der ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance) ist unumgänglich geworden. Aufgrund mangelnder Richtlinien konnte jedoch noch kein Konsens erzielt werden. Diese Integration erfordert den Rückgriff auf Big Data, um alle für das Rating der Gegenparteien und Anleger erforderlichen Daten zu erfassen.

Transparenz: Mit der Bildung der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) durch den Finanzstabilitätsrat werden Richtlinien zur nichtfinanziellen Berichterstattung eingeführt, zur Sicherstellung der Beispielhaftigkeit und Vergleichbarkeit.

Vor uns liegt noch ein langer Weg und viele sind der Meinung, dass einzig die internationalen Banken die Macht haben, die notwendigen Impulse für einen radikalen Wandel zu geben. Es ist jedoch das gesamte Finanz-Ökosystem betroffen. Wenn zwischen den Staaten, Verbänden und der Finanzbranche ein konstruktiver Dialog geführt wird, gelingt es vielleicht nicht, die Krise abzuwenden, aber ihre Auswirkungen könnten eingedämmt werden.