Stärkung der Attraktivität der Schweiz durch die Einführung einer Tonnagesteuer auf Seeschiffe: Herausforderungen und Chancen

Gemäss den gemeldeten Zahlen im Jahre 2019 belegte die Schweizer Schifffahrt weltweit Platz 9 und innerhalb von Europa Platz 4 gemessen an der Tonnage, was die Schweiz zu einem der führenden Länder in diesem Bereich macht. Es ist daher etwas verwunderlich, dass die Einführung einer Tonnagesteuer seit Anfang der 2000er Jahre diskutiert wird. Allein in der Europäischen Union (EU) haben bereits 21 Mitgliedstaaten eine solche Steuer in ihr Steuersystem eingeführt. Einige der Mitgliedstaaten, wie z.B. Griechenland, bereits seit den 1950er Jahren. A priori wäre es für die Schweiz von Vorteil, dieses Instrument in ihr Steuersystem zu integrieren, um im internationalen Wettbewerb "auf Augenhöhe" mithalten zu können.

Vor diesem Hintergrund wurde die Einführung einer Tonnagesteuer kürzlich in den politischen Diskussionen während den parlamentarischen Debatten über die Unternehmenssteuerreform III wieder aufgegriffen, insbesondere nach Wegfall der kantonalen Steuerstatus per 1. Januar 2020 im Rahmen der Steuerreform STAF.

Wie funktioniert die neue Tonnagesteuer?

Die Tonnagesteuer ist eine alternative Methode zur Ermittlung der Gewinnsteuer von Unternehmen im Schifffahrtssektor, die sich weitgehend an die bestehenden Regelungen innerhalb der EU anlehnt. Bei der Tonnagesteuer handelt es sich um eine alternative Methode zur Ermittlung der Gewinnsteuer. Bemessungsgrundlage für die Gewinnermittlung ist die pauschal mit einem gestaffelten Tarif multiplizierte Nettoraumzahl (Frachtvolumen des Seeschiffs). Diese wiederum wird mit der Anzahl Betriebstage multipliziert. Der so ermittelte steuerbare Reingewinn wird ‒ sofern vorhanden ‒ zum übrigen steuerbaren Reingewinn hinzugerechnet und zum ordentlichen Gewinnsteuersatz besteuert.

Nach dem Gesetzentwurf können ausschliesslich Seeschiffe, die zu folgenden Zwecken betrieben werden, der Tonnagesteuer unterstellt werden:

  • Gütertransport;
  • Personentransport;
  • Rettungs- und Unterstützungsdienste;
  • Kabel- und Rohrverlegung;
  • Errichtung von Offshore-Bauwerken;
  • Wissenschaftliche Meeresforschung.

Gemäss dem erläuternden Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements der Schweizerischen Eidgenossenschaft umfasst der Betrieb von Seeschiffen im Wesentlichen die Bereederung (u.a. Fracht- und Passagierbeförderung), Befrachtung (Abwicklung von Transportaufträgen auf See) und Vercharterung (Vermietung von Seeschiffen inkl. Ausrüstung auf See). Handelstätigkeiten (insb. Rohstoffhandel) werden jedoch nicht von dem Gesetzentwurf erfasst.

Damit eine in der Schweiz domizilierte Reederei kann sich nur dann der Tonnagesteuer unterstellen, wenn ein Mindestanteil von 60% der Tonnage ihrer Schiffsflotte unter den Flaggen der Schweiz oder der EU- resp. EWR-Mitgliedstaaten fährt.

Wichtiger Hinweis: Die Tonnagesteuer fusst auf Freiwilligkeit. Die Wahl erfolgt für jedes Seeschiff separat. Wird die Wahlmöglichkeit ausgeübt, gilt eine Dauer von zehn Jahren. Danach unterliegt der steuerbare Reingewinn wieder der ordentlichen Bemessung ‒ es sei denn, die steuerpflichtige Person stellt erneut Antrag auf die Tonnagesteuer. Will ein Unternehmen vor Ablauf der Zehnjahresperiode einen Wechsel vornehmen (beispielsweise aufgrund erlittener betrieblicher Verluste oder trüber wirtschaftlicher Perspektiven), kann es einen erneuten Antrag für die Tonnagesteuer erst wieder im sechsten Jahr nach dem Ausstieg stellen. Die allenfalls während der Anwendung der Tonnagesteuer aus dem Betrieb des Seeschiffs entstandenen Verluste können nicht vorgetragen werden. Mit diesen Massnahmen lassen sich Steuerplanungsmöglichkeiten einschränken.

Eine umweltfreundliche Steuer?

Um der wachsenden Besorgnis über den Klimawandel Rechnung zu tragen, sieht der Gesetzentwurf auch die Aufnahme ökologischer Kriterien vor. So gewährt die allgemeine Norm je nach ökologischen Leistungsnachweis des betreffenden Schiffes eine Verringerung der Bemessungsgrundlage des Tonnagegewinns um bis zu 20%. Es obliegt dem Bundesrat, die Anforderungen und die Höhe der Kürzung zu definieren.

Während des Konsultationsprozesses begrüssten die Teilnehmer im Allgemeinen die Aufnahme von Umweltkriterien, um den Betrieb von kohlendioxidarmen Schiffen zu fördern. Für einige ist die Norm jedoch unzureichend oder sogar zu restriktiv in ihren Anwendungskriterien und würde nicht alle Verschmutzungsfaktoren berücksichtigen.

Was sind die Vorteile für die Schweiz?

Die Einführung der Tonnagesteuer in das Schweizer Steuersystem würde die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Schweizer Wirtschaftsstandortes im Bereich der Seeschifffahrt gewährleistet bleiben.

Den Zahlen zufolge hat der Sektor des Rohstoffhandels und der Schifffahrt im Jahr 2020 rund 12'000 Arbeitsplätze geschaffen, davon 2'000 alleine in der Schifffahrt. In der Schweiz gibt es nach Angaben des Schweizer Vereins des Rohstoffhandels und des Schiffstransportes (STSA) mehr als 60 Unternehmen (verteilt auf 12 Kantone, wobei Genf einer der wichtigsten ist), die etwas mehr als 800 Schiffe besitzen.

Die Einführung der Tonnagesteuer wäre daher für diesen Wirtschaftszweig von Interesse und würde die Position der Schweiz auf internationaler Ebene stärken und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen fördern, die in der Schweiz in einem verwandten Bereich tätig sind. Indirekt würden dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen und hochqualifizierte Arbeitskräfte in der Schweiz gefördert werden.

Obwohl im erläuternden Bericht zum Gesetzentwurf festgestellt wird, dass die finanziellen Auswirkungen der Einführung einer Tonnagesteuer nicht zuverlässig abgeschätzt werden können, dürften die positiven Auswirkungen, die die Einführung einer solchen Steuer auf die Schweizer Wirtschaft haben dürfte, einen möglichen Rückgang der Steuereinnahmen in Grenzen halten.

Ein weiterer wichtiger Vorteil einer Einführung der Tonnagesteuer besteht darin, dass diese den Wettbewerbsnachteil beseitigt, den Schweizer Schifffahrtsunternehmen derzeit gegenüber Unternehmen mit Sitz in der EU oder im EWR haben. Ausserdem läuft die Schweiz durch die Einführung dieses Systems in ihr Steuerrecht nicht Gefahr, gegen ihre internationalen Verpflichtungen zu verstossen, da die Tonnagesteuer gemäss Massnahme 5 des BEPS-Projekts der OECD, das gemeinsam mit der G20 durchgeführt wird, nicht als schädliche Steuerpraxis gilt.

Insgesamt soll diese neue Steuer ein einfaches Steuersystem sowohl für die Unternehmen, wie auch für die Steuerverwaltungen darstellen. Sie wird auch die Attraktivität und das internationale Ansehen der Schweiz erhöhen.

Beitrag von Virginie von Planta und Diane Schenker

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