MWST und Unternehmensübernahme

Gehen die MWST Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers oder der Rechtsvorgängerin bei einer Unternehmensübernahme in jedem Fall über?

Die MWST-Verpflichtungen bei einer vollständigen (Share-Deal) sowie auch bei einer teilweisen (Asset-Deal) Übertragung von Vermögen an einem Unternehmen können zu erheblichen mehrwertsteuerlichen Konsequenzen führen. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 21. Februar 2020 (BGer Urteil 2C_923/2018 – publizierte Leitentscheid Nummer: BGE 146 III 73), die Risiken einer teilweisen Übernahme des Vermögens von einem Unternehmen aus Sicht der MWST in Erinnerung gerufen und neu festgelegt. Gerne verweisen wir Sie für weitere Informationen auf unseren Beitrag zum Thema "Asset-Deal: Vorsicht, MWST!".

Was sagt das Gesetz?

Das Gesetz sieht vor, dass bei einer Unternehmensübertragung die Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers oder der Rechtsvorgängerin übernommen werden. Dazu gehört insbesondere die Übertragung der Haftung für vergangene Schulden, die ebenfalls zu den Elementen gehört, die bei einer Unternehmensübertragung übernommen werden.

Diese Regel ist weniger klar, wenn es sich um eine Vermögensübertragung  handelt und die verkaufende Rechtseinheit weiterhin  bestehen bleibt. Im eingangs erwähnten Urteil, entschied das Bundesgericht, dass Käufer*innen auch die Risiken im Zusammenhang mit der MWST übernehmen, unabhängig davon ob lediglich ein Teil des Unternehmens erworben wird.

Änderung der Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)

Nach dem Entscheid des Bundesgerichts hat die ESTV ihre Praxis zur Steuernachfolge im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung geändert. Die ESTV ist der Ansicht, dass die Steuersukzession Anwendung findet, wenn ein Teil des Vermögens übernommen wird und dieselbe Teilübernahme zwischen nahestehenden Personen erfolgt.

Im Entscheid des Bundesgerichts ging es lediglich darum den Einzelfall zu beurteilen, der sich auf nahestehende Personen im Sinne des MWSTG bezog. In dieser Entscheidung hat das Bundesgericht einen klaren Standpunkt eingenommen. Die Frage, ob ein ähnlicher Fall zwischen unabhängigen Dritten zur gleichen Entscheidung geführt hätte, wurde hingegen nicht entschieden.

Daher sind wir der Ansicht, dass die Anwendbarkeit derselben Bestimmung auf unabhängige Dritte nicht konkret widerlegt wurde.

Setzt die MWST-Rechtsnachfolge zwischen Dritten eine Übertragung aller Aktiven und Passiven voraus?

Unserer Ansicht nach ist das Risiko der Anwendung der Steuernachfolge zwischen unabhängigen Dritten nicht vollständig ausgeschlossen.

Zur Erinnerung: Die Steuersukzession sichert ein Steuersubstrat, wenn der Rechtsvorgänger oder die Rechtsvorgängerin vollständig aus dem MWST-Register gestrichen wird. In diesem Zusammenhang vertrat die herrschende Lehre die Ansicht, dass das Verschwinden des Steuersubjekts eine vollwertige Bedingung für die Anwendbarkeit der Steuernachfolge sei und dass daher die gesamte Geschäftstätigkeit der Gesellschaft übertragen werden müsse.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Käufer / die Käuferin eines Unternehmens bedenken muss, dass sämtliche MWST-Risiken übernommen werden. Unabhängig davon, ob der Kauf des Unternehmens vollständig oder nur Teile davon betrifft. Es ist daher unbedingt erforderlich, sicherzustellen, dass das übertragende Unternehmen über alle MWST-Unterlagen sowie die notwendige MWST-Dokumentation verfügt, die im Falle einer MWST-Prüfung  durch die ESTV erforderlich sind. Ausserdem wird empfohlen, die MWST-Situation des übernommenen Unternehmens vor dem Kauf im Detail zu analysieren, insbesondere im Rahmen einer Due Diligence, um die verschiedenen Risiken bei den Verhandlungen über den Vertrag und den Kaufpreis zu berücksichtigen.

Bei der Vermögensübertragung sieht das Gesetz vor, dass der Verkäufer / die Verkäuferin gegenüber dem neuen Käufer / der neuen Käuferin für Steuerforderungen, die vor der Unternehmensübertragung entstanden sind, gesamtschuldnerisch haftbar bleiben. Diese Bestimmung ermöglicht grundsätzlich eine Risikominderung für Steuerforderungen, die vor der Übertragung des Unternehmens entstanden sind. Allerdings ist diese gesamtschuldnerische Haftung auf die 3 Jahre nach der Unternehmensübertragung beschränkt. In der Praxis wird die ESTV die Höhe der übernommenen MWST-Risiken bestimmen und diese allenfalls direkt beim Käufer / der Käuferin einfordern. Wenn der Käufer / die Käuferin die solidarische Haftung gegenüber dem Rechtsvorgänger / der Rechtsvorgängerin geltend machen will, ist es ihre Aufgabe eine zivilrechtliche Klage gegen den Verkäufer / die Verkäuferin anzustreben.

Schliesslich erinnern wir daran, dass die Verjährungsfrist für das Veranlagungsrecht der ESTV 5 Jahre ab Ende der relevanten Steuerperiode beträgt, in der die Forderung entstanden ist. Vorausgesetzt, dass diese Verjährungsfrist nicht durch die ESTV unterbrochen wurde.

Ein letzter MWST-Hinweis zu Immobilienübertragungen: Besondere Aufmerksamkeit sollte der Dokumentation sowie der Aufbewahrung von MWS-Dokumenten im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf von Immobilien gewidmet werden. Eine Historie der Nutzung der Immobilien wird empfohlen und sollte ebenfalls aufbewahrt werden (z.B. Bau- und/oder Renovierungskosten, Flächennutzung, Ausübung der Option). Bei Nutzungsänderungen muss die MWST-Korrektur rückwirkend für die letzten 20 Jahre vorgenommen werden und wird bei einer MWST-Kontrolle der ESTV überprüft. Daher ist es unerlässlich, diese Unterlagen mindestens 26 Jahre lang aufzubewahren (20 Jahre + 5 Jahre + das aktuelle Jahr).

Beitrag von Emina Selimovic, Vanessa Cilio und Laurent Bovet