Finanzierung zwischen nahestehenden Personen – wenn die Krise die Spielregeln verändert!

Die aussergewöhnliche Lage, in der wir uns seit ein paar Monaten befinden, hat auch Auswirkungen auf das Schweizer Steuersystem, denn die zuständigen Steuerbehörden mussten deutliche Massnahmen zugunsten der Steuerpflichtigen einführen, wie die Verlängerung der Fristen für die Einreichung der Steuererklärung und der MWST-Abrechnung, der Wegfall von Verzugszinsen und die mögliche Verbuchung von Covid-19-Rückstellungen in bestimmten Kantonen.

Die Auswirkungen beschränken sich jedoch nicht auf diese verfahrensmässigen Massnahmen. Interessant ist auch, dass in dieser Situation die Rede ist von zinslosen Darlehen, Bürgschaften ohne bestimmte Sicherheiten sowie von besonders flexiblen Rückzahlungsbedingungen. Handelt es sich hierbei um eine neue, wenn auch vorübergehende Marktsituation? Kommen sie auch bei Beziehungen zwischen nahestehenden Personen zur Anwendung, insbesondere wenn das finanzielle Überleben eines Unternehmens auf dem Spiel steht? Diese Frage wirkt sich direkt auf den Drittvergleichgrundsatzoder den «Dealing-at-Arm’s-length-Grundsatz» aus, der fest in der schweizerischen und internationalen Steuerpraxis verankert ist. 

Aktuelle Marktsituationen - mit dem Drittvergleichgrundsatz vereinbar?

Der Drittvergleichgrundsatz sieht vor, dass Leistungen zwischen nahestehenden Personen zu marktkonformen Preisen erbracht werden müssen. Anders ausgedrückt müssen Leistungen zwischen nahestehenden Personen den Preisen entsprechen, die sich unabhängige Unternehmen gegenseitig in Rechnung stellen würden für vergleichbare Leistungen und unter ähnlichen Bedingungen. Entsprechen konzerninterne Transaktionen nicht den Marktbedingungen, werden die Steuerbehörden im Zuge des Veranlagungsverfahrens Korrekturen vornehmen. Man geht davon aus, dass sämtliche Transaktionen zwischen unabhängigen Dritten den Marktbedingungen entsprechen und diese somit bei Transaktionen zwischen nahestehenden Personen für Vergleichs- und Rechtfertigungszwecke herangezogen werden können.

Fest steht jedoch, dass sich die Marktbedingungen seit Beginn der Krise radikal geändert haben. So können Unternehmen beispielsweise Covid-19-Kreditgesuche einreichen, die derzeit mit 0% verzinst werden. Diese werden vom Bund abgesichert, der vorübergehend keinerlei Entschädigung erhält für die Bereitstellung dieser Sicherheiten. Schlussendlich sind die Rückzahlungsbedingungen für diese Kredite relativ flexibel und können auf bis zu sieben Jahre ausgedehnt werden. Begünstigte Unternehmen, Bankinstitute und Bund gelten gegenüber dem jeweils anderen als unabhängige Dritte.

Gestützt auf den Drittvergleichgrundsatz und in Anbetracht der aktuellen Marktbedingungen ist es folglich durchaus legitim, sich zu fragen, ob diese Konditionen auch bei Transaktionen zwischen nahestehenden Personen zur Anwendung kommen könnten. Denkbar wären dabei insbesondere konzerninterne Darlehen zu 0% (z.B. zwischen Schwestergesellschaften), das Aussetzen der Rückzahlungspflicht oder die Bereitstellung von Garantiekapital eines Darlehens, wobei diese Garantie kostenlos gewährt wird.

Welches Steuerrisiko bergen diese Transaktionen, die von den Steuerbehörden wegen «Nichteinhaltung» der Markvorschriften korrigiert werden?

In diesem Zusammenhang scheinen sich zwei Faktoren klar abzuzeichnen. Erstens der zeitliche Aspekt dieser Krise. Denn aus steuerlicher Sicht haben die aktuellen Marktbedingungen einen temporären Charakter und können nicht auf unbestimmte Zeit zu Vergleichszwecken für Transaktionen zwischen nahestehenden Personen herangezogen werden. Eine Anpassung der Darlehensbedingungen zwischen nahestehenden Personen käme demnach nur für eine begrenzte Dauer in Frage. 

Zweitens der Hintergrund der finanziellen Notlage, bzw. die Notwendigkeit ein Unternehmen teilweise von seiner Schuldenlast zu befreien, um seine Geschäftsaktivitäten (und seine Arbeitsplätze) dauerhaft zu sichern. Die Anwendung der oben aufgeführten Bedingungen vor dem Hintergrund fehlender konkreter Folgen der Krise scheint uns nur schwer vorstellbar.  

Das Hauptaugenmerk der Unternehmen gilt derzeit sicherlich nicht den steuerlichen Folgen, die diese noch nie dagewesene Krise mit sich bringt. Der Schweizer Föderalismus erfordert eine eingehende Betrachtung der verschiedenen kantonalen Praxis, die sich in den nächsten Monaten herausbilden werden. Unsere Erfahrungen der letzten Zeit haben gezeigt, dass die Steuerbehörden gleichwohl in gewisser Weise offen sind gegenüber der Umsetzung von Lösungen innerhalb von Unternehmen und zwischen nahestehenden Personen. Dies schafft vermutlich einen gewissen Spielraum für die Verhandlung mit den Steuerbehörden, wenn es darum geht nachzuweisen, dass konzerninterne Transaktionen im Einklang sind mit den aktuellen Marktbedingungen, jedoch nicht unbedingt mit den vor der Krise geltenden Bedingungen. Das gemeinsame Ziel besteht darin, es den Unternehmen zu ermöglichen die Krise zu überwinden und ihre Geschäftsaktivitäten und Arbeitsplätze weitestgehend zu bewahren. 

Schlussfolgerung 

Es bleiben noch viele Fragen unbeantwortet und aus den oben genannten Punkten kann noch keine endgültige Schlussfolgerung gezogen werden. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass sich im Laufe der nächsten Monate eine einheitliche Praxis abzeichnen wird. Es ist demnach unerlässlich, jeden Fall individuell auf Grundlage aller Umstände zu analysieren um allfällige Aufrechnungen bei der Veranlagung zu vermeiden. Es kann sich durchaus lohnen, die Steuerbehörde im Vorfeld zu kontaktieren und die Schwierigkeiten sowie mögliche Lösungen aufzuzeigen.