Steuerrulings: Neueste Entwicklungen

In der Rechtsanwendung bzw. der Praxis kommt der Erteilung von rechtlichen Auskünften sowie von Steuervorbescheiden (Steuerrulings) durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) oder durch die kantonalen Steuerbehörden eine sehr wichtige Rolle zu. Kürzlich hat die ESTV in einer Mitteilung vom 29. April 2019 den Verhaltenskodex zur Erteilung von rechtlichen Auskünften und Rulings in den Bereichen der direkten Bundessteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgaben sowie Mehrwertsteuer präzisiert. Wir verschaffen Ihnen einen Überblick über das Thema.

Was sind die Voraussetzungen

Ein Steuervorbescheid bzw. ein Steuerruling ist eine verbindliche Auskunft der Steuerbehörde zur steuerlichen Behandlung eines geplanten, konkreten und steuerlich relevanten Sachverhaltes auf entsprechende Anfrage einer steuerpflichtigen Person.

Bei Steuerrulings handelt es sich um vorgängige Auskünfte der Steuerverwaltung, die zwar nicht Verfügungscharakter aufweisen, aber die für die Steuerbehörden bindend sind, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüll sind:

  • Das Steuerruling muss sich auf einen konkreten Sachverhalt beziehen;
  • Die Steuerbehörde, welche die Auskunft erteilt hat, muss dafür zuständig sein;
  • Der Steuerpflichtige hat die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erkennen können;
  • Der Steuerpflichtige hat im Vertrauen hierauf nicht ohne Nachteil rückgängig zu machende Dispositionen getroffen;
  • Die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunftserteilung und
  • Der Schutz des Vertrauens in eine unrichtige Auskunft ist höher zu gewichten als das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung.

Form und Inhalt

Bei einem Steuerruling ist in Bezug auf die Form und den Inhalt Folgendes zu beachten:

  • Form und Sprache: ein Steuerrulings (an die ESTV) wird schriftlich und in einer Amtssprache eingereicht.
  • Sachverhalt: der rechtserhebliche Sachverhalt wird in kurzer und auf das Wesentliche beschränkter Form klar und vollständig dargestellt. Dabei sind auch die involvierten natürlichen und juristischen Personen zu nennen und eindeutig zu bezeichnen.
  • Rechtliche Würdigung: es enthält eine eigene rechtliche Würdigung in Bezug auf den rechtserheblichen Sachverhalt.
  • Anträge: es enthält einen oder mehrere eindeutig formulierte steuerliche Anträge.
  • Beilagen soweit erforderlich und erklärend

Wo ist ein Steuerruling einzureichen?

Steuerart

 

Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV)

 

Kantonale Steuerverwaltung (KSTV)

Direkte Bundessteuer - Regel

 

(x)

 

x

Direkte Bundessteuer - Spezialfälle

 

x

 

 

Kantons- und Gemeindesteuern

 

 

 

x

Verrechnungssteuer - Regel

 

x

 

 

Verrechnungssteuer – Rückerstattung natürliche Personen

 

 

 

x

Stempelsteuer

 

x

 

 

Mehrwertsteuer

 

x

 

 

Prüfung und Genehmigung des Steuerulings

Sind sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen an ein Steuerruling erfüllt und entspricht der Antrag den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben, wird das Steuerruling durch die zuständige Abteilung (innerhalb der ESTV) genehmigt. Diese Genehmigung erfolgt ebenfalls schriftlich, entweder mit einer entsprechenden Unterzeichnung des Rulingantrages oder mittels separatem Schreiben. Die Genehmigung durch die zuständigen Steuerbehörden kann entweder vorbehaltslos oder unter Vorbehalten erfolgen.

Die Beurteilung von Steuerrulings erfolgt in der Regel kostenlos. Die Steuerbehörde kann sich im Einzelfall jedoch vorbehalten, bei zeitlich übermässig umfangreichen Überprüfungs- und Korrekturarbeiten eine Gebühr in Rechnung zu stellen

Bis wann ist ein Steuerruling gültig?

Mit seiner Genehmigung durch die Steuerbehörde begründet das Steuerruling Vertrauensschutz.  

Die Steuerbehörde kann die Gültigkeit eines Steuerrulings zeitlich an eine Frist knüpfen.

Ein Steuerruling entfaltet Vertrauensschutz, solange der sich darin enthaltene Sachverhalt nicht verändert. Fällt ein Sachverhaltselement nachträglich weg oder wird nicht wie erläutert in der Praxis umgesetzt, fällt das Steuerruling ohne weiteres dahin (d.h. ohne Kündigung der zuständigen Steuerbehörde). Ein Steuerruling fällt auch ohne weiteres dahin, wenn sich die einschlägigen rechtlichen Vorschriften ändern, eine Rechtsprechung zu einer Anpassung der Verwaltungspraxis führt oder die durch die ESTV bei der Genehmigung des Steuerrulings festgelegte zeitliche Befristung abgelaufen ist.

In gewissen Fällen kann die Steuerbehörde ein Steuerruling wiederrufen. In den Bereichen der direkten Bundessteuer sowie Rückerstattung der Verrechnungssteuer an natürliche inländische Personen weist die ESTV als Aufsichtsbehörde des Bundes die zuständige kantonale Steuerbehörde schriftlich an, das von dieser gewährte Steuerruling zu widerrufen und teilt dies der steuerpflichtigen Person mit. In den Bereichen Verrechnungssteuer und Stempelabgaben widerruft die ESTV die von ihr gewährten Steuerrulings selber. Ein Widerruf eines Steuerrulings erfolgt in schriftlicher Form und mit Wirkung für die Zukunft. Im Einzelfall kann die ESTV der steuerpflichtigen Person eine angemessene Übergangsfrist einräumen, bis zu deren Ablauf das Steuerruling nach wie vor eine Vertrauensgrundlage darstellt.

Spontaner internationaler Informationsaustausch von Steuerrulings

Seit dem 1. Januar 2018 tauscht die Schweiz spontan, Informationen über Steuerrulings mit anderen Vertragsstaaten aus. Dabei werden lediglich Eckwerte eines Steuervorbescheids (etwa Angaben zur steuerpflichtigen Gesellschaft, Laufzeit des Steuerrulings, Zusammenfassung des Inhalts des Steuerrulings etc.), die sog. Rulingmeldungen (Templates) ausgetauscht. Der Empfängerstaat einer Rulingmeldung hat die Möglichkeit, das vollständige Steuerruling mittels eines Informationsaustauschs durch die Steueramtshilfe auf Ersuchen zu erfragen. Im Jahr 2018 hat die Schweiz 1'328 Rulingmeldungen von anderen Vertragsstaaten erhalten und 1'125 Rulingmeldungen an andere Vertragsstaaten übermittelt.

Empfehlung

Steuerulings stellen in der Schweiz für die Rechtsanwendung und die Rechtssicherheit der Steuerpflichtigen ein wichtiges Instrument dar. Der pragmatische Zugang zu den Schweizerischen Steuerbehörden mittels Steuerrulings ist im internationalen Vergleich einzigartig und stellt für die Schweiz ebenfalls einen Wettbewerbsvorteil dar. Es empfiehlt sich deshalb sowohl für Steuerpflichtige als auch für Steuerberater, sich bei der Ausarbeitung und Einreichung von Rulinganträgen durch die Empfehlungen des «Code of Conduct» leiten zu lassen.