Swiss Banking Newsletter - November 2018

Proportionalität für Kleinbanken in der Schweiz: tiefgreifender Wandel oder einfache Anpassung?

Am 2. Oktober 2017 bestätigte die FINMA in ihrem Referat beim Kleinbankensymposium in Bern ihre Absicht, Kleinbanken von unangemessen hohen Verwaltungskosten zu entlasten, ohne jedoch ihr Risiko zu erhöhen.

Um die Auswirkungen solcher Massnahmen zu beurteilen, hat die FINMA ihr Projekt am 13. Juli 2018 mit dem Start einer Pilotphase des sogenannten "Kleinbankenregimes" konkretisiert, die mindestens ein Jahr dauern soll.

Aber was ist unter dem "Proportionalitätsprinzip" zu verstehen? Kann es für kleinere Institute wirklich ein wirksames Mittel sein, um die Kosten und die Komplexität der Regulierung zu reduzieren?

Die Belastung durch die Regulierungen gefährdet die Rentabilität und Dynamik kleiner Institute

Der Schweizer Markt ist durch ein dynamisches und heterogenes Finanzumfeld mit vielen kleinen Instituten gekennzeichnet (85 % der Banken und Effektenhändler fallen unter die Kategorien 4 und 5). Daher erscheint es nicht angemessen, für alle Institute die gleichen Regeln anzuwenden, die Differenzierung des Regulierungsansatzes erfordert jedoch die Anwendung des Proportionalitätsprinzips. In diesem Zusammenhang ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass sich die mit der Regulierung verbundenen Kosten in zehn Jahren verdoppelt haben!

Zwar ist das Proportionalitätsprinzip in der Eigenmittelverordnung (OFR)und der Liquiditätsverordnung (LiqV) verankert, jedoch in wenig konkreter Form. Hingegen ist festzustellen, dass die Proportionalität in den neuen oder überarbeiteten Rundschreiben (Governance, Vergütung, Zinsrisiko etc.) berücksichtigt wird.

Ziel der Pilotphase ist es also, die Auswirkungen der Erleichterung bestimmter aufsichtsrechtlicher Anforderungen zu bewerten.

67 Institute, deren Eigenmittel und Liquidität deutlich über den regulatorischen Mindestanforderungen liegen und die keinen erhöhten Risiken ausgesetzt sind, haben sich diesem Regime angeschlossen.

Die betroffenen Institute profitieren so von Entlastungen (Leverage Ratio, Offenlegung, Planung, Outsourcing, Governance und operationelle Risiken) oder sogar von Freistellungen.

Das Proportionalitätsprinzip erfordert Konvergenz auf internationaler Ebene

  • Bankensektor wünscht Überprüfung des Anwendungsbereichs

Trotz der Vorschläge der Schweizerischen Bankenverbände (SBVg, ABPS, GBS) hält die FINMA an strengen Einschlusskriterien fest. Die Verbände beklagen, dass bisher ausschliesslich quantitative Kriterien zur Definition der Aufsichtskategorien herangezogen werden. Ihrer Auffassung nach könnten einige Banken der Kategorie 3 ebenfalls von einem erleichterten Regime profitieren.

  • Konvergenz auf internationaler Ebene erforderlich

Das Proportionalitätsprinzip ist in den internationalen Standards[1] enthalten und wird zurzeit auf internationaler Ebene diskutiert. Dabei ist die Definition der Kleinbank jedoch umstritten und unterscheidet sich in den einzelnen Jurisdiktionen. Zum Beispiel: FINMA versus Europäische Union (EU)[2].

Um die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinbanken zu erhalten, sollte die FINMA die Konvergenz mit internationalen Standards gewährleisten. Vor allem gegenüber der EU könnte die Schweiz die Anerkennung ihrer Vorschläge durch den Abschluss bilateraler Abkommen durchsetzen. Im Gegenzug müssten einige Vorschläge der EU von der Schweiz übernommen werden, um einen gleichberechtigten Wettbewerb zu gewährleisten.

Steht der Schweizer Bankensektor vor einem Wandel?

Um von der Entlastung durch das Kleinbankenregime zu profitieren, können Institute mehrere Strategien verfolgen: 

  • Transformation des Geschäftsmodells

Sie können sich auf weniger riskante und profitablere Aktivitäten konzentrieren. Dadurch könnte das Proportionalitätsprinzip entsprechend dem jeweiligen Geschäftsmodell (Private Banking, Privatkunden, Kapitalmärkte etc.) angewendet werden. Einige Banken der Kategorie 4 könnten zudem hinsichtlich ihrer intrinsischen Komplexität herausgefordert und angehalten sein, Vereinfachungsprojekte anzugehen. 

  • Kontrolle des externen Wachstums

Kleine, für die Erleichterungen in Frage kommende Banken könnten ermuntert werden, nicht zu schnell zu wachsen, jedoch wird alles von dem letztendlich angewendeten Proportionalitätsprinzip und ihrer Entwicklungsstrategie abhängen. 

In vielen Fällen werden sich diese Erleichterungen in Anpassungen niederschlagen, die keine ausreichende Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten. Es müssen also andere Strategien umgesetzt werden:

  • Verlagerung und/oder Auslagerung bestimmter Funktionen

Banken, die auf diese Lösung zurückgreifen, um die exponentiellen Kosten der Regulierung aufzufangen, müssen die Anforderungen des Rundschreibens 2018/3 erfüllen. 

  • Von den Vorteilen des digitalen Wandels profitieren

Neue Technologien für den regulatorischen Bedarf (Regtechs) stehen zur Verfügung, erfordern aber die Überprüfung und Optimierung der bestehenden Prozesse. Zudem erfordern sie eine Überprüfung der damit verbundenen Kontroll- und Risikomanagementsysteme. 

Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass das von der FINMA angewandte und in der Pilotphase getestete Proportionalitätsprinzip darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität der kleinen Finanzinstitute in der Schweiz zu erhalten.

Es ist jetzt wichtig, die Entwicklungen dieser Pilotphase und die Auswertung der Ergebnisse mit grösster Aufmerksamkeit zu verfolgen, was letztlich zu Anpassungen vor der endgültigen Veröffentlichung führen könnte.

Obwohl das Proportionalitätsprinzip darauf abzielt, die Diversität des Bankensektors als Vorteil für die Schweizer Wirtschaft zu erhalten, ist seine Anwendung angesichts der grossen Herausforderungen wie einem sich verschärfenden Wettbewerb, niedrigen Zinssätzen, den regulatorischen Belastungen und technologischen Entwicklungen allein nicht ausreichend, um die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinbanken wieder herzustellen.

[1]Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, siehe BCBS 230

[2]Das Europäische Parlament definiert den Begriff der kleineren und weniger komplexen Institute (small and non complex institutions) (CRR2) in dem europäischen Verordnungsentwurf.

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